Teil von ProtoZone16: Hallucinogenesis, 13.09.-03.11.2024
death levels us all (2024)
digital bedruckter Trommelteppich, Bassdrums, Fussmaschinen, Beckenständer, grafische Partituren, Sound
death levels us all ist ein neues Klang-Ritual, das die Beteiligung des Publikums erfordert. Mit der musikalischen Partitur und den Basstrommeln arbeiten zwei Besucher*innen an der gemeinsamen Aufgabe, Impulse in den akustischen Raum zu senden: Widerhallende Trommelschläge aktivieren periodisch die einzigartige Architektur und den Nachhall der Shedhalle und laden alle Anwesenden ein, die klangliche Energie zu hören oder zu spüren. So wie zwei Positionen im Raum niemals gleich sind, so sind auch zwei Zuhörer*innen niemals gleich.
Dieses auf Klang basierende Werk enthält visuelle Elemente und eingebettete Verweise auf zoroastrischer Rituale rund um den Tod – wie den Verbindungsfaden Paywand und die Haoma-Pflanze – im Sinne der experimentellen Schaffung neuer Rituale für die heutige Zeit.
Der Schlagzeugteppich ist ein notwendiger und standardmäßiger Bestandteil jedes Drumset-Setups, der unerwünschte Bewegungen des Kits auf dem Boden verhindert. Hier verbindet ein langgestreckter Schlagzeugteppich die beiden Basstrommeln und damit die beiden Interpret*innen, was den kollaborativen Charakter des Rituals sichtbar macht (1). Diese symbolische Anordnung unterstreicht die notwendige Koordination zwischen zwei Akteur*innen bei einer gemeinsamen Aufgabe sowie ihre Ebenbürtigkeit und Zusammengehörigkeit.
In dem grossen unbesetzten visuellen Raum des Teppichs ist der Titel der Arbeit in Farsi geschrieben, ein Titel, der absichtlich die Mehrfachbedeutung des Verbs „to level“ aufgreift: abreissen, gleichmachen und auch kritisieren.
death levels us all – dieser gedruckte Satz verweist auf die Zweige der Haoma-Pflanze, die in der zoroastrischen Heilpraxis für ihre energetischen Eigenschaften und ihre Verbindung zur Unsterblichkeit bekannt ist (2).
Der Stil der grafischen Partitur erinnert an Notationsexperimente des 20. Jahrhunderts wie die Box-Notation von Iannis Xenakis für das Schlagzeugstück Psappha (1975), die eine direktere Art der rhythmischen Darstellung abseits westlicher klassischer Standards anstrebte, wenn auch hier in einer sehr reduzierten Form. Diese verlangt vom Publikum keine Vorkenntnisse der musikalischen Notation, sondern vielmehr die Interpretation eines Diagramms. Es geht also darum, der anderen Person zuzuhören und auf sie zu reagieren, und die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was man gemeinsam macht.
death levels us all ist ein klangliches Ritual für die Betrachtung des Todes und eine Orientierung für die Lebenden, die die Menschlichkeit unmissverständlich und ohne Wertung anerkennt.
(1) Diese Art, zwei Menschen zu verbinden, verweist auf den Paywand des zoroastrischen Totenrituals, ein dünnes Stück Stoff, das zwei Leichenträger verbindet und speziell dann getragen wird, wenn sie das Haus der kürzlich verstorbenen Person betreten, um sie zur Bestattungszeremonie zu tragen. Einen Paywand zu halten, bedeutet, in engem Kontakt zu sein, und erfordert Koordination, um in Aktion zu treten.
(2) Wenn sich abzeichnet, dass ein Mensch dem Tod nahe ist, werden ihm vor seinem Tod einige Tropfen dieses Pflanzenextrakts verabreicht, um ihn zu stimulieren und daran zu erinnern, dass dieses Leben vergänglich ist und die Reise weitergeht.
LABOUR ist das in Berlin lebende Duo Farahnaz Hatam und Colin Hacklander, die künstlerische Arbeiten auf der Basis von Sound kreieren. Sie arbeiten seit 2013 als Duo zusammen und gründeten 2018 LABOUR mit ihrer Arbeit next time, die consciously ( یگناگیب ). Sie kommen aus der Musik, sind aber in einer Mischung aus verschiedenen Szenen zu Hause. Ihre Arbeiten sind in der ganzen Welt präsentiert, unter anderem im Martin Gropius Bau, Kraftwerk Berlin, Sharjah Biennale, Art Basel, Julia Stoschek Collection Berlin, Grand National Theatre Dakar und Berghain Berlin.
Sie arbeiten regelmäßig zusammen an Arbeiten für Theater, Performance, Video und Mode; sie sind Stipendiat*innen der Villa Aurora Los Angeles, haben eine monatliche Radiosendung auf NTS und sind Langzeitresident*innen von Callies’ geteiltem Tonstudio in Berlin, das sie seit 2018 mit aufgebaut haben.
2022 kuratierten sie gemeinsam mit Berlin Atonal das X100 Festival, das das bleibende Erbe von Iannis Xenakis feierte, und haben ein von der Kulturstiftung des Bundes gefördertes Projekt in Dakar, Senegal, das sich mit der Sabar-Trommeltradition auseinandersetzt, mit einem Schwerpunkt auf dem immateriellen Kulturerbe und dem musikalischen Austausch zwischen elektronischer Musik und traditioneller Perkussion.
Zuvor leiteten sie von 2008-2015 das N.K. Projekt, ein experimentelles Musikzentrum in Berlin, das mehr als 450 Konzerten und Workshops veranstaltete, mit dem Ziel der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Avantgarde.
Für das Jahr 2023 sind Veröffentlichungen bei Honest Jon’s und REIF geplant, sowie Veröffentlichungen für ihr eigenes Studio LABOUR.
Farahnaz Hatam, 1967 in Teheran geboren, ist Klangkünstlerin, Komponistin und DJ mit einem Hintergrund in Molekularbiologie, und arbeitet hauptsächlich mit SuperCollider, einer digitalen Programmierumgebung. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Colin Hacklander, 1986 in Minneapolis geboren, ist ein Avantgarde-Komponist und Perkussionist mit einem Hintergrund in post-tonaler Theorie und elektronischer Musik. Er lebt und arbeitet in Berlin.