Eine alte Legende der Truku-Indigenen in Taiwan erzählt von einem Jäger, der während der Jagd von einem plötzlichen Regenschauer überrascht wurde. Der Jäger fand Schutz in einer Baumhöhle und fiel in einen tiefen Schlaf. Im Traum begegnete er einer Gruppe von fluiden Geisterwesen, weder Mann noch Frau, die sich «Hagay» nannten. Diese übermittelten dem Jäger das Wissen über Rituale, die Jagd und das Weben. Der Jäger wachte auf, ging zurück in sein Dorf und teilte das Wissen der Hagay mit seinen Mitmenschen.

Auf Basis dieser teils überlieferten, teils erfundenen Erzählung haben die Multimediakünstlerin Shu Lea Cheang und Dondon Hounwn, Künstler und praktizierender Schamane der Truku-Indigenen, ein künstliches Universum entworfen. In drei verschiedenen Formaten – einer Performance, einer Multimedia-Ausstellung und einer textilen Installation – erforschen die beiden die Verbindungen von queeren Lebensentwürfen, Schamanismus und zeitgenössischer Technologie.

Biografien

Shu Lea Cheang (Frankreich/USA/TW)

Shu Lea Cheang ist eine Künstlerin und Filmemacherin, die sich mit genreübergreifenden Gender-Hacking-Kunstpraktiken beschäftigt. Mit BRANDON (1998 – 99), der ersten vom Guggenheim Museum, New York, in Auftrag gegebenen und gesammelten Webkunst, wurde Cheang als Pionierin der Netzkunst gefeiert und vertrat Taiwan mit der Mixed-Media-Installation 3x3x6 auf der Biennale von Venedig 2019. Als Schöpferin ihres eigenen Genres des Scifi New Queer Cinema hat sie vier Spielfilme gedreht: FRESH KILL (1994), I.K.U. (2000), FLUIDø (2017) und UKI (2023). Im Jahr 2024 erhält sie den LG Guggenheim Art and Technology Award. Anfang 2025 wird sie bei der Theaterperformance Hagay Dreaming in der Tate Modern und der Ausstellung KI$$ KI$$ im Haus der Kunst in München Regie führen. http://mauvaiscontact.info

Dondon Hounwn (Taiwan)

Der Truku-Künstler Dondon Hounwn wurde im Dowmung-Stamm in der Gemeinde Xiulin, Bezirk Hualien, Taiwan, geboren. Dondon Hounwns Arbeit ist medien-, generationen- und kulturübergreifend und verbindet das Wissen der Vorfahren mit einer avantgardistischen, geschlechterübergreifenden Ästhetik. Als Erbe von Stammesballaden, Instrumenten und Ritualen arbeitet er in den Bereichen Performance, Installation, Video und Umwelttheater. Im Jahr 2015 gründete Dondon Hounwn die Elug Art Corner, in der indigene Jugendliche das kulturelle Erbe der Truku erforschen. Seit 2023 veranstaltet Dondon Hounwn jährlich das GAYA Cosmos-Treffen mit Künstler*innen und Forscher*innen zur Erforschung der Lebensprinzipien von Gaya.

Credits

Artistic Director｜Dondon Hounwn
Singer｜Kumu Basaw
Performers | Dondon Hounwn, Pilaw Uraw, Dremedreman・Ljaculjingiljing, Kiyu Pahauran
Installation artist | Temu Basaw
Laser artist | aka_chang

Administration｜Cheng Hsuan Weng
Coordination｜Hsin Yu Hsieh

Project Director｜Shu Lea Cheang
Producer｜Ping Yi Chen

Production｜Elug Art Corner
Organizer｜Zürcher Theater Spektakel & Shedhalle

Sponsors ｜
National Culture and Arts Foundation (Taiwan)
Ministry of Culture (Taiwan)
Indigenous Peoples Cultural Foundation (Taiwan)
NSFG Foundation
RELIABLE SOURCE INDUSTRIAL
Puyong Archiland
cilin

Hagay Dreaming Performance

mit Dondon Hounwn & Elug Art Corner

23./24./25.08., 20:30-22h

Landiwiese & Shedhalle – Tickets hier

Das Resultat der einzigartigen Verknüpfungen des Projekts lässt sich in der gemeinsam mit der Shedhalle und dem Zürcher Theater Spektakel entwickelten Zürcher Adaption der Performance «Living Gaya Dreaming Hagay» besonders immersiv und sinnlich erleben. Futuristische Laser-Choreografien treffen auf schamanistische Tänze, und geschlechterfluide Körper verschmelzen mit animierten Videobildern fernab sterblicher Kategorien. Eine musikalische Reise zur Vielfalt der Geschlechter im Urzustand, eine bildstarke Entsagung an ein binäres Weltbild und Vision einer nichtbinären, indigenen Technozukunft.

Eine intime Performance mit einem Vorspiel und 5 Akten

Dauer: 1:30 Std., keine Pause

Hinweis: Die Performance beginnt mit einem Ritual auf dem Zürcher-Theater-Spektakel-Gelände (Landiwiese) und einem ca. 20 minütigen Spaziergang zur Shedhalle.
Das Publikum bewegt sich frei. Laser Licht kommt zum Einsatz.

Hagay Cave

Installation von Temu Basaw

23.8. 15-17h, 24. & 25.8. 14-17h

Landiwiese – freier Eintritt

Die Höhleninstallation mit dem Titel „The Reappearing of Ever-Changing Dwelling“ (Das Wiederauftauchen der sich ständig verändernden Behausung) ist eine ineinander verschlungene Struktur, deren Holzplanken sich gegenseitig überschneiden und die Besucher*innen einladen, in das Innere zu treten.

In ihr können sich die Besuchenden versammeln, um die traditionelle Handwerkskunst des fiktiven Hagay-Volkes kennenzulernen. Besuchende werden gebeten, einen alten Pullover zur Wiederverwertung mitzubringen, als Anlehnung an ein historisches Geschehen im Taiwan der 1950er- bis 60er-Jahre. Damals brachten westliche Missionare den Indigenen Pullover als Geschenke mit. Statt sie zu tragen, nahmen diese alle Fäden auseinander und webten sie zu traditionell gemusterten Kleidern neu zusammen. Das Publikum ist eingeladen, gemeinsam mit den Künstler*innen zu weben. Dazu werden Geschichten von indigenen Gemeinschaften erzählt, die Kultur- und Geschlechtergrenzen sprengen.

Hagay Ausstellung

von Dondon Hounwn & Elug Art Corner

23./24.08. 22-23h & 28./29./30.08. 17-20h & 31.08./01.09. 15-19h

Shedhalle, Eintritt vor Ort

Die Ausstellung zeichnet den Prozess der Performance „Hagay Dreaming“ nach und setzt ihn fort. Gezeigt werden eine Dreikanal-Installation „Hagay“ (2013) von Dondon Hounwn sowie Videodokumentationen der bisherigen Performances von Hagay Dreaming. Die „Hagay Exhibition“ ist bis zum Ende des Festivals zu sehen und markiert den Übergang zur nächsten prozess-basierten Ausstellung der Shedhalle im Herbst, ProtoZone16: Hallucinogenesis.

Stammtisch: Nicht-binäre indigene Techno-Zukunft

mit Shu Lea Cheang & Dondon Hounwn

21.08., 21h

Landiwiese

Shu Lea Cheang und Dondon Hounwn diskutieren über die diesjährige Europatournee von „Living Gaya Dreaming Hagay“, eine Abspaltung ihrer theatralischen Performance-Kollaboration ‚Hagay Dreaming‘. Zwischen indigenem Geschichtenerzählen und techno-futuristischen Fantasien feiert ihre Arbeit die geschlechtslosen Hagay und setzt sich für das Gaya Lebensprinzip ein, um ‘snhiyi’, eine Kraft des totalen Vertrauens, zurückzugewinnen.

Protozone15: Time is Pressure bringt sechs bestehende Projekte von fünf internationalen Künstler*innen zusammen, die bis auf eines alle nach 2020 entstanden sind. Ihre Präsentation ist dramaturgisch organisiert, sowohl räumlich als auch in Bezug auf die Zeit.

Wir wollen unsere Forschung zum Verständnis künstlerischer Prozesse weiter ausbauen, indem wir uns diesmal auf Prozesse der Präsentation und die Lebensdauer eines Werks sowie auf die laufenden Prozesse unserer langfristigen Zusammenarbeit mit den eingeladenen Künstler*innen konzentrieren.

Der Körper

Der performende Körper ist überlastet, isoliert, ängstlich und muss ständig anpassungs- und widerstandsfähig sein. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der Körper, der zwar präsent, aber meist nicht anwesend ist. Die ausgestellten Arbeiten zeigen den Körper als Mensch, als Avatar und als Stellvertreter, der unter dem Druck der Zeit steht und gleichzeitig auf ihn antwortet und ihn ablehnt.

Das Archiv

Das Archiv ist eine Inszenierung eines Selbst, das ständig aufzeichnet und überwacht, während es im Gegenzug mit oder ohne Zustimmung ebenso aufgezeichnet und überwacht wird. Die anwesenden Künstler*innen tragen dem Rechnung, indem sie ihre kulturellen, sozialen und persönlichen Archive in der Gegenwart zusammenführen. Sie finden im Archiv ihre Handlungsfähigkeit, indem sie die Zeit als nichtlinear darstellen und damit ihren Körper und ihre Identität als unfixiert und vielschichtig.

Die Partitur

Die Ausstellung als dramaturgisches Mittel, die ihre Öffnungszeiten als Partitur präsentiert, um diese realen institutionellen Beschränkungen sowohl hervorzuheben als auch zu durchbrechen. Die Behandlung der Werke als eigenständige Performances eröffnet die Möglichkeit einer konstanten Aufführungszeit, mit oder ohne Anwesenheit von Live-Performer*innen. Stattdessen werden die Besucher*innen in den Mittelpunkt gestellt und die Zeit als Leitfaden für die Rotation der Werke genutzt, unabhängig davon, wann man die Ausstellung betritt.

*Der Titel “Time is Pressure” ist Cally Spooners Worten zu DEAD TIME (Maggie’s Solo) 2021 entlehnt, das in unserer letzten Protozone14: Staying Close als Prolog zur aktuellen Ausstellung gezeigt wurde.

ZURICH ART WEEKEND

Freitag, 07. 06. offen 17-21h

17:30-17:50 Performance The Bug (The future is behind us) by Dora García

Samstag 08.06. offen 14-20h

17-18h Lecture performance von Daniel Felstead

Kurator Michelangelo Miccolis im Gespräch mit Daniel Felstead

Sonntag, 23.06 Performance I I I (something flat, something cosmic, something endless) by SERAFINE1369