Synkretismus beschreibt die Verschmelzung unterschiedlicher natur-kultureller Elemente zu einer neuen Ausdrucksform. Das englische Wort «site» bedeutet Ort, Platz, Fabrik, Standort, Stätte oder auch die virtuelle Lokalisierung im Netz: die Web Site. Unterschiedliche Praktiken und Formen des Wissens, nicht-moderne und moderne Kosmologien, poetische und forschende Verfahren teilen sich den Raum. Ein synkretistisches Verständnis öffnet die Welt auf ihre Vielfältigkeit und Dichte. So erschafft übereinander Gestapeltes, ineinander Verwickeltes und untereinander Verschmolzenes nicht eine einzige Weltsicht, sondern Welten der Koexistenz – im Plural.
Every era has to reinvent the project of “spirituality” for itself. In the modern era, one of the most active metaphors for the spiritual project is “art.”
Susan Sontag in “Aesthetics of Silence” (1967)
Dabei ist Syncretic Sites von einer wohlwollend kritischen Auseinandersetzung mit Begriff und Praxis von Spiritualität geprägt. Die Arbeiten eröffnen Bezüge zu Fragen des Flüchtigen, Geistigen und Spirituellen im weitesten Sinne. Denn die Beziehung zwischen den vorrangig von der Moderne geprägten Räumen zeitgenössischer Kunst und nicht-modernen Formen des Wissens vollzieht sich als stetige Aushandlung mit dem «Projekt der Spiritualität», wie es Susan Sontag im obigen Zitat beschreibt. Darin gehen subtile oder verdrängte Formen des Wissens oftmals verloren. Durch Formate des Zuhörens, Innehaltens und Nachspürens kommen wir zum Synkretismus und entdecken, was sonst womöglich unbemerkt bliebe.
Die eingeladenen Künstler*innen sind darauf spezialisiert, Spuren längst vergangener, vergessener oder zukünftiger Ereignisse wahrnehmbar zu machen. Ähnlich wie bei einer geologischen Tiefenbohrung werden dabei Prozesse der Sedimentierung sichtbar, die sich an dieser Stelle vor langer Zeit ereignet haben, zum jetzigen Zeitpunkt unbemerkt stattfinden oder die sich in einer fernen Zukunft noch abspielen werden. Spekulatives und Gegenwärtiges wird miteinander verwoben und durch verschiedene Medien zurückgespielt. Anrufungen, Gebete, Klagelieder, Hoffnungen, Unschärfen, Miniaturen, Überblendungen, Echos und neue Formen der Archivierung prägen diese Protozone.
Unterstützt durch Stadt Zürich Kultur, Kanton Zürich Fachstelle Kultur, Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung, Stiftung Temperatio, Migros-Kulturprozent, IPF Institute for the Performing Arts and Film der Zürcher Hochschule der Künste