Open Futures x Shedhalle
Eröffnung 10.11.21 17:30-21:30 und zu sehen bis 02.01.22
Ausstellung offen jeden Samstag&Sonntag 14-18h
detailliertes Programm in der “Agenda” auf dieser Homepage und unter www.openfutures.ch
Mit: Club La Fafa, Tarik Hayward, Monica Ursina Jäger, Stefanie Knobel und Samrat Banerjee, Architecture for Refugees, Romy Rüegger, Susan Schuppli, Alicia Velázquez
Kuration: Isabelle Vuong
Kuratorische Assistenz: Camille Jamet
Die prozessbasierte Ausstellung «Kollektive Resonanz» wendet sich Fragen von Nachhaltigkeit und deren kollektiven, sozialen sowie kulturellen Dimensionen zu. Die gezeigten Arbeiten widmen sich offenen, teilweise fragilen, unsicheren Zukünften. Viele sind auf Beziehungen mit dem Publikum ausgelegt, welche durch Performances, öffentliche Rechercheformate, Workshops und “Diaspora-Talks” aktiviert werden.
Der Titel der Ausstellung verweist auf den Resonanzbegriff des Soziologen Hartmut Rosa, der Resonanz als Gegenteil zu Entfremdung definiert. In Resonanz zu sein bedeutet für Rosa, von der Welt berührt zu werden, um auf diese mit Emotionen (E-Motion) reagieren zu können. Es geht Rosa also darum, dass Menschen mehr Aufmerksamkeit auf die Beziehungen unter sich und mit deren Umwelt pflegen. Die Ausstellung ist eine Einladung an Besucher*innen, in Resonanz mit anderen Menschen und mit der Umwelt zu treten.
Deshalb werden die Besucher*innen in der Ausstellung immer wieder mit kollektiven Aktionen und Herangehensweisen in verschiedenen Zeiten und Kontexten konfrontiert. So unterschiedlich diese Handlungsformen auch sind, so zeigen sie alle, dass die Zukunft eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt ist. Erst durch diese Auseinandersetzung mit der Gegenwart können wir den Horizont der Zukunft (wieder) öffnen.
Als Ausgangspunkt nimmt die Ausstellung die Geschichte der Roten Fabrik als ehemalige Seidenfabrik auf. Bis heute verweisen vereinzelte architektonische Elemente auf diese Vergangenheit der Roten Fabrik hin, wie zum Beispiel die metallischen Strukturen im Gebäude der Shedhalle, die als Halterung der Spinnmaschinen gedient haben. Der Aspekt der Stofflichkeit taucht deshalb bei vielen der künstlerischen Arbeiten auf.
Zentral in Romy Rüeggers Arbeit «A Fabric in Turkey Red» ist eine leuchtend rot gefärbte Baumwollbahn. Diese verknüpft die Bedingungen von Fabrikarbeit und Arbeitsmigration mit dem kolonialen Erbe der rural-alpinen Textilindustrie. Eigens für «Kollektive Resonanz» setzt sich Rüegger für zwei Wochen in einer ergebnisoffenen Recherche mit der Seidenproduktion als früherem Merkmal der Zürcher Textilindustrie sowie mit den klanglichen Aspekten der Shedhalle als Fabrikarchitektur und komplexem wie eigenwilligem Klangkörper auseinander.
Club La Fafas Installation «Where to belong» wirft Fragen zu der Lebenssituation und den Herausforderungen von Neuangekommenen und Migrant*innen in Zürich auf. Fragen, welche die Biografien der Betroffenen ein Leben lang prägen und auf die sie möglicherweise nie eine endgültige Antwort bekommen werden. Diese Fragen werden auf Textilmaterial gedruckt und an den metallischen Strukturen der ehemaligen Seidenfabrik aufgehängt. An vier Sonntagen während der Ausstellung organisiert Club La Fafa ausserdem sogenannte «Diaspora Talks» in ihrem Community-Space.
Auch Tarik Haywards monumentale und ortsspezifische Installation «Coal, Earth, Snow or a similar Substance», die Teile der metallischen Struktur in sich absorbiert, ist ein diskreter Hinweis auf die Vergangenheit der Roten Fabrik. Seine Arbeit ist eine ambivalente Auseinandersetzung mit der handwerklichen Arbeit als schöpferische Kraft sowie Überlebenspraxis und schwankt zwischen der Nostalgie nach einem rudimentäreren Leben und der Antizipation künftiger Zeiten in einer auf das Wesentliche reduzierten Welt.
Andere Werke beschäftigen sich mit der Auswirkung des Klimawandels auf lokale Bevölkerungen. Stefanie Knobel und Samrat Banerjee konfrontieren uns in ihrer Installation «Tropes of Submerged Breathing» beispielsweise mit der zukünftigen Überflutung der Region im Golf von Bengalen durch den steigenden Meeresspiegel. Um diese Zukunft greifbarer zu machen, haben sie kiemenartige Objekte aus Palmblättern angefertigt und diese zu einem Teppich vernäht. Dieses grosse Palmenblätter-Kiemen-Textil soll die schwierig greifbare Realität spekulativ und provokativ visualisieren.
Susan Schuppli wiederum thematisiert in ihrer Videoarbeit «Can the Sun Lie?» die Auswirkungen des Klimawandels auf die Inuit Bevölkerung in der kanadischen Arktis. Diese haben nämlich die umstrittene Beobachtung gemacht, dass die Sonne viele Kilometer weiter westlich untergeht als dies bisher der Fall war. Denn aufgrund des Klimawandels verhält sich das Sonnenlicht anders. Schuppli legt in ihrer Arbeit Argumente dar, die aufzeigen, dass diese Beobachtung tatsächlich von Bedeutung für die Klimaforschung ist und erlaubt somit eine Diskussion um die Beweiskraft von fotografischen Zeugnissen.
In diesem Kontext wirkt Monica Ursina Jägers Videoarbeit «RETE MIRABILE (counter-current)» fast meditativ. Sie zeigt das harmonische, jedoch fragile Zusammenspiel komplexer Wasser-Ökosysteme und macht die Besucher*innen auf die Verletzlichkeit unserer Umwelt aufmerksam. Durch den ruhigen Fluss der Bewegung sowie die begleitende Musik erzeugt Jäger eine vielschichtige Umgebung, die von Raum und Zeit losgelöst erscheint.
Entsprechend ihres prozessbasierten Charakters wird «Kollektive Resonanz» durch neue Arbeiten bereichert, die aus Kollaborationen während der Ausstellung entstanden sind.
Alicia Velázquez’ Installation ist eine Einladung zum Geniessen und Teilen einer metaphorischen Mahlzeit. Die Ausstellung der Installation folgt auf die Veranstaltung «White, Black, and Things», welche am 5. Dezember im Rahmen des Diaspora Talk von Club La Fafa stattfindet. Die acht aus Keramik gefertigten ‹Gerichte› bilden eine köstliche visuelle wie haptische ‹Mahlzeit›, die in innigen Zusammenkünften mit jeweils einer von acht spanischen Frauen verschiedenen Alters sowie unterschiedlicher Herkunft und Einreisejahre in Zürich gemeinsam zubereitet wurde.
«ONA Afterhours» ist ein Semesterprojekt der ETH-Studentinnen Selin Civi, Carolina Palos Mas und Sofia Uribe Gomez, das im Rahmen von «Future Structures» – einer Zusammenarbeit zwischen dem Newrope Architektur Lab an der ETH und Open Futures – ihren Platz in der Ausstellung findet. Es handelt sich um eine Auseinandersetzung mit der Unsichtbarkeit des Reinigungspersonals im alten Industriegebäude ONA der ETH. Durch eine Reihe von räumlichen Interventionen und die Etablierung neuer, täglicher Praktiken macht das Projekt nicht nur die unmerkliche oder übersehene Reinigungsarbeit sowie seine Arbeiter*innen sichtbar, sondern es schafft auch ein Bewusstsein für die symbiotischen Verbindungen zwischen den verschiedenen Nutzer*innen des Gebäudes.
Die Ausstellung wird über den Gemeinschaftspavillon-«Café für Alle» betreten, ein Projekt der beiden Vereine Architecture for Refugees SCHWEIZ und ExpoTranskultur. Von Juni 2020 bis November 2021 stand er im Hof der Autonomen Schule Zürich, um dort das Café als Treffpunkt zu ersetzen, welches wegen Covid geschlossen werden musste. In der Ausstellung beherbergt der Gemeinschaftspavillon ein am 27. November präsentiertes «Methodencafé» von Architecture for Refugees, mit dem die Inklusivität einer Organisation anhand eines Spider-Diagramms analysiert werden kann. Seit dem Nachhaltigen Sonntagsmarkt vom 14. November hat der Gemeinschaftspavillon sein Platz beim Eingang der Ausstellung gefunden – als ein Zeichen dafür, dass ein Ausstellungsraum in erster Linie ein Gemeinschaftsraum sein sollte.
Open Futures wird für die Ausstellung unterstützt von: Kanton Zürich Bildende Künste, Ernst Göhner Stiftung, Pro Helvetia, Georg and Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung, Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung, Fondation Paul-Edouard Piguet, Ville de Lausanne, Erna und Curt Burgauer Stiftung, Stiftung Walter and Inka Ehrbar, Canton de Vaud
Die Shedhalle wird unterstützt von: Stadt Zürich Kultur
Ausstellung mit: